Meine Lagerfeuergeschichte

Gerade läuft im Experimentiertheater ein Stück, dessen Inhalt von 95% der Zuschauer als „Thematisierung von Kommunikationsproblemen“ beschrieben wird. Es fällt schwer, dabei nicht ein paar Gedanken weiter zu denken. Bei all den gloriosen Momenten des Festivals, Seifenblasenszenen und Sonnenaufgängen, ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein Teil der Geschichte auch anders erzählt wird gerade. Das Arena-Jahr 2008 war vor allem auch das Jahr der erdrutschartigen Dramen um Arrabal, keiner würde das abstreiten. The word is out, wie man so sagt, und meiner subjektiven Wahrnehmung nach kreist es gerade -auch- ziemlich um unseren kleinen Kasten. Fast jede Nacht saßen wir mit unseren Künstlergruppen zusammen, die uns Geschichten vorbei gebracht haben, ganz so wie wir uns das vor einigen Monaten mal scheinbar idealistisch gewünscht hatten. Ein zentrales Krisengespräch hat im Guckkasten stattgefunden, weil ein Flugelefant uns einen Brief vorbeigetragen hat, und daraufhin die Bude gebrannt hat. Einige Krisen sind in unserem kleinen Kasten der Versöhnung ausgetragen worden, einige vielleicht sogar gelöst; aber natürlich längst nicht alle. Und manche Kommunikationsprobleme sind einfach eine Kastennummer zu groß. The Word is out.

Ich will hier nicht über Fakten reden. Der Guckkasten hat nichts mit Fakten zu tun, und hatte es nie. Hier geht es um Geschichten, und dieses Festival war voll davon. Jede Geschichte hat unfassbar viele Seiten. Wenn etwas schief geht, sei es aufgrund von Kommunikation oder „Hard Facts“, dann ist das zwar der Grund für Probleme. Das wäre aber eigentlich gar kein Problem. Weil immer etwas anderes geschehen muss, damit Fakten erst zu Problemen werden. Und das hat mit Geschichten zu tun.

Alle hier haben unfassbar gute Arbeit geleistet. Das Team hat scheinbar unüberwindliche Abgründe bekämpft und 300-Stunden-Schichten geschoben. Wundervolle Künstler haben gegen schwierige Bedingungen einzigartige Shows geliefert. Helfer und Technik haben alles zusammen gehalten. Leider sieht man nicht immer, dass hinter all dem nicht nur Fakten stecken und Abläufe, nicht nur ob Dinge klappen oder nicht, ob Dispos passen oder nicht passen. Worum es eigentlich geht, ist nicht das Was sondern das Wie, die gegenseitige Anerkennung und Bewunderung, die Bereitschaft sich zu sehen und zuzuhören, und dabei ganz unheimlich ernst zu nehmen in dem was man tut. Worum es eigentlich geht, das ist gegenseitig an die Geschichten zu glauben, die jeder von uns erlebt hat, in denen jeder sein eigener Held ist. Das war immer Arena, das gemeinsame zusammensitzen und sich zuhören, betrunken werden am Cafetisch, das Reden und sich unheimlich cool und spannend finden. Und nicht nur das funktionieren oder nicht funktionieren. Leider braucht das mit den Geschichten und dem Zeit nehmen aber, naja, ganz viel Zeit, und das ist ein Luxus. Dieses Jahr mehr als in jedem Anderen. Darum vergisst man das manchmal, dass man sich spannend und toll finden soll, dass man die Geschichte Sysiphus des Flugelefanten auch verstehen sollte, und die vom Orgatisch im Büro, und die vom Experimentiertheater. Dass es überhaupt nicht nur darum geht, gute Arbeit zu leisten, sondern vor Allem noch Spaß zu haben. Mal zu fragen, wie es den anderen geht, nicht bloß um ein Problem zu beseitigen. Es geht um die Geschichten. Ich habe Sandy gesagt, jetzt bin ich auch betroffen, von diesem ganzen Dings. Und ich möchte eine schöne Art und Weise finden, darauf zu antworten.
Als Lagerfeuergeschichte, sozusagen.

Wir saßen hier jeden Tag bis zum Sonnenaufgang und haben Stories für euch gesammelt, kleine und große, epische und alberne, die ganze Erzählung des Arena-Festivals 2011, in einem 100seitigen Poesiealbum. Oder zumindest die, die man uns zeigen wollte, aber das war immerhin einiges. Das ist das, worum es in Arena immer ging. Blättert mal durch, nehmt euch mal die Zeit, wenn das alles hier herum ist. Lest auch einmal die Geschichte von euren Erzfeinden, versucht mal zu verstehen, warum jemand anderes diese Menschlein unheimlich toll und spannend findet. Ich bin mit euch zu diesem Klausurwochenende gefahren, weil ich jeden einzelnen von euch gern haben muss, um diesen Guckkasten hier zu machen. Und nach dieser Woche geht es mir mit den Künstlergruppen des Arena-Festivals 2011 ganz genauso.

Wer will, kann sich eine andere Seite einer Geschichte anschauen, über die eh alle reden. Es gibt aber noch so viele andere, und einige davon findet ihr hier. Hingucken ist ganz prima. Aber ab und zu brauch man Zeit zum Zuhören, zum Bier Trinken und zum Weitererzählen, liebe Beteiligten. Das sind wir nämlich alle.

In meinen Kasten passt ihr alle rein.

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