Krisensitzung: Dance Performances (and what to say about them)

Am Montag Abend hatten wir eine Art Krisenmeeting im Guckkasten. Es ging darum, dass wir plötzlich überraschend festgestellt haben, dass drei Tanz-Performances im Programm stehen. Und wir überhaupt nicht wissen, was wir damit anfangen sollen. Immerhin gab es mal den Anspruch, zu jedem ARENA-Stück irgendwas zu produzieren. Wenn das aber nicht auf plumpe Gags hinauslaufen soll -okay, das machen wir schon auch!-dann müsste man das erstmal auf irgendeine Weise begreifen, was da auf der Bühne passiert. Da uns das aber mit Tanz sehr schwer fällt, haben wir Tessa aus Gießen per Skype eingeschaltet und in den Guckkasten gebeamt. Tessa hat was, was uns fehlt nämlich, und zwar Kompetenz.

Ganz klare Frage: Wie geht man mit Shaun Boyle and Artists um?
Das folgende Gespräch hat mehr oder weniger so stattgefunden wie protokolliert.

Lukas:
Wir haben das Problem etwas zu schreiben zum Eröffnungsstück “See, myself and I”. Man sieht hier auf dem Video, das sie zur Bewerbung eingereicht haben, eine Frau – oder sogar mehrere. Auf einer schwarzen Bühne und sie tanzt. So. Das ist erst mal eine Tatsache. Aber was sagt man jetzt dazu? Soll man etwas dazu sagen? Soll man es kritiseren? Und nach welchen Kriterien überhaupt? Kann man das?

Stefan:
“Wir haben da einfach ein ziemlich ähnliches Problem wie wenn man sich ein Konzert von Musik anhört, von der man überhaupt nichts versteht. Wir können da natürlich feststellen, es gibt Bewegungen, manche sind exzessiver als andere… Irgendwas wird angesprochen in einem, aber wir wissen nicht was.
Beziehungsweise, selbst wenn wir das wissen, wie formuliert man daraus irgendeine Form von Feedback?

Lukas:
Wir können ja mal… Es gibt ja immer zwei Möglichkeiten. Wo ist denn der Katalog? Wir können ja mal starten mit dem Text hier. Und dann lese ich hier, See, myself and I, welches Gesellschaftsbild haben wir eigentlich, Fremdwahrnehmung und Selbstwahrnehmung fallen auseinander… betrachten die Welt mit den Augen von… Konsumgesellschaft ist hier, Medienzeitalter ist hier… Und so weiter. Also, das kann man jetzt versuchen zu finden, das geht bestimmt.

Tessa:
Ja, aber damit tu ich mir immer etwas schwer.

Lukas:
Naja, klar, aber irgendwas muss man ja schreiben.

Tessa:
Sicher. Man muss sich irgendwas ausdenken, weil man kann wahrscheinlich nicht einfach schreiben “hier, wir haben mal was vorbereitet, wir tanzen dann mal los”

Lukas:
Das wäre aber wirklich meine ganz konkrete Frage: Wenn ich jetzt gar nichts weiß, über so ein Stück, ich weiß nur es ist Tanztheater: Was ist dann das Kriterium für Dich, dass Du sagen würdest, das war jetzt wirklich gut? Gar nicht für die Welt an sich, oder für die Theaterwissenschaften, sondern für Dich persönlich?

Tessa:
Gute Frage, ja, ganz ehrlich. Vielleicht können wir ja anfangen zu überlegen: “Tanztheater”? Würde ich jetzt schon gar nicht mal mitgehen mit der Zuschreibung, “Tanztheater” ist für mich irgendwie klarer… ich weiß nicht: Ich würde das als “Tanz-Tanz” bezeichnen, es wird getanzt, und eigentlich nicht viel mit Theater. “Bewegungssprache” ist natürlich ein schwieriger Begriff, aber das ist dann was wo man sich hier jetzt drüber unterhalten könnte; ich finde da jetzt wenig an “theatralen” Aspekten.

Lukas:
Aber wenn wir jetzt die Unterscheidung Tanztheater und Tanz-Tanz aufmachen, was fangen wir denn dann mit letzterem an? Woran scheitert oder glückt eine reine Tanzdarbietung?

Tessa:
Da wird es tatsächlich so spannend im Anschauen der Bewegung an sich.. Was es für Bewegungen sind, was sie für Faszination auslösen… Wo ich jetzt schon fast das Stichwort “Virtuosität” aufmachen würde..

Lukas:
Was wir gar nicht sehen können, natürlich, als Tanz-Dummbatze die wir sind. Ich muss ja davon ausgehen, die werden auf Festivals eingeladen, die können das schon, die machen ihren Job schon gut. Ich hätte nie Grund zu vermuten, dass hier technisch schlecht getanzt wird.

Tessa:
Aber darum geht’s mir gar nicht. Was ich meine ist, dass das ein ganz schwieriges Problem bei dieser See Myself-Sache ist, weil es ja mit schon mit einem Konzept arbeitet und nicht bei Faszination von Bewegungsmustern bleibt. Es hat sich irgendwas zur Aufgabe gesetzt, es möchte was analysieren, es möchte sich mit was beschäftigen.

Lukas:
Ist das dann der Punkt wo schon etwas schief läuft? Oder ist das eher ein Medienproblem? Ich komme da immer wieder darauf zurück: Man will etwas erzählen, man fragt sich “worum es geht”, dann schaut man in den Katalog und so.. Das würde man gar nicht haben, wenn es um ein Musikfestival ging, sagen wir ein Electro-minimal-Konzert, oder Metal oder was auch immer. Da würde man fragen, wie war denn die Stimmung, was ist übergesprungen… Man wäre gar nicht bei dem Versuch, dass da “etwas bearbeitet worden” wäre. Es gab natürlich Einflüsse, aber das wäre nicht das “Konzept”, sondern das besteht erst mal nur in einer geilen Show, punkt.

Tessa:
Das ist der Punkt der für mich so wahnsinnig grundlegend ist, gerade wenn man darüber sprechen soll! Über was spreche ich denn dann bitte? Man ist da natürlich so geschult drauf, dass man an Kunst immer interpretativ rangeht und sie “auslegen will”, das macht man ja auch schon lange so… Aber vielleicht sollte man sich viel eher anschauen ob da etwas “getriggert” wird in einem. Und vielleicht sollte man sich da drum kümmern. Dann muss man sich das anschauen und sich irgendwie überlegen, auf welcher Ebene da solche Trigger wirken. Ich würde jetzt ganz plain vermuten, dass ihr da morgen viel mehr Spaß dran habt als jetzt auf Dvd, auf jeden Fall!

Lukas:
Ich würde jetzt mal Kili fragen, weil der unser Joker im Ass ist, sozusagen, der diese “hermeneutischen Sandsäcke” nicht mit sich rumschleppt. Was fängst Du mit ner Tanzperformance an?

Kili:
Pah. Schwierig. Was fang ich damit an? Ich schau mir halt die Bewegungen an und denke mir “das hätt’ ich jetzt nicht gekonnt!”
Nein, also: Ich denke mir, wenn ich jetzt tanzen würde zu Musik die mir gefällt, wie würd ich mich bewegen, welche Bewegungsmuster ruft das in mir hervor…? Ich weiß halt nicht, wenn das schon vorher einstudiert ist, ob da noch viel von der Person zu sehen ist insgesamt.

Phil:
Aber hör mal, wenn Du jetzt tanzt, in der Disco oder was auch immer: Das ist doch auf jeden Fall auch etwas, das schon bestimmten Konventionen unterliegt, auf jeden Fall! Wenn wir darüber reden, ist Tanz eine Sprache oder nicht… Dann ist das keine Aussagensprache, klar, aber trotzdem heißt das nicht dass es keine Struktur gibt, Muster. Dann reden wir hier vom “Ausdruck reiner Individualität”, wo man sich eh fragt was das sein soll, das sind alles so Worthülsen!

Tessa:
Ich würde da absolut übereinstimmen! Noch mal zu Kili zurück, und das Problem, was sag ich komplett ohne Ahnung: Eigentlich ist das doch die optimale Herangehensweise: Über Assoziationen heranzugehen. Das kann man ja immer relativ klar benennen, das steht ja nicht ganz im luftleeren Raum.

Lukas:
Ganz ehrlich Du, wenn ich mir jetzt 300 oder Sucker Punch anschaue, dann “beschäftigt” sich das auch mit nichts, das macht erst mal nur PAM!, einfach ein Spiel mit Formen, und hinterher sagt man dann dass da AUCH Ideologien transportiert werden, aber das ist erst hinterher.

Tessa:
Tja, da gehts auch, richtig! Eigentlich bringt man ja schon mit was man brauch…

Lukas:
Das ist sehr versöhnlich.

Anne und Richard betreten den Raum,
the conversation switches to English.

Anne:
Where is she?

Lukas:
She is in Giesen.

Anne:
Wow!

Lukas:
Richard! Dance performances! We are talking about the trigger.

Richard:
Personally?

Lukas:
Definitely personally.

Richard:
Okay. So, I have no education in dance…

Phil:
That’s what EVERYBODY says! Like, EVERYONE says ‘I can not say anything about it, but.”

Tessa:
And then comes the ‘but’.

Richard:
No, but that is my point.I think the ‘but’ is okay.

Anne:
It’s the ‘but’ that matters.

Kili:
I LIKE BIG BUTS AND I CANNOT LIE!

Lukas:
We should watch a youtube-video now, where the choreographer of Radiohead is interviewed to the Lotus Flower dance video, and all he does is PUNISH the interviewer for EVERY question that he askes. Like “you are trying to own the dance’, ‘you are trying to label it’, ‘you are trying to rape it’. So he really tries to aks questions, ask something at all, but the choreographer really crucifies him for every approach to that.

Tessa:
I definitely think you CAN ask questions, you can name it, you can describe it. And associations: I don’t think that’s only about feelings. I think you can really put your finger on it.

Richard:
There is something to be said about a Jackson Pollock-painting. You don’t have to understand the implications of…lavender. It is not “about” lavender. If you have the education and background to know about the history and discourse of dance: Go for it. But as a viewer, iI don’t think there’s anything wrong with sitting here, looking for random associations and being unafraid to not come to any.

Lukas:
But the twist here, to this whole discussion is, of course, that we all agree dance doesn’t have to “mean” something, allright. But. The trigger, to stay at this word, doesn’t have to be something emotional, irrational, but it has a cognitive side as well: Seeing some structure, some rhytm, some pattern. The better my knowledge about dance, the higher my abilities to comprehend this “motional diagram” and to appreciate it, too.

Tessa:
Actually, for me, from an purely intellectual level it’s very hard for me to approach this piece, cause there’s not so much in it. For me it’s not very interesting in that sense, but nevertheless you can get a lot out of it, maybe.

Lukas:
So, to wrap that up, if “See,Myself and I” is more dance-dance than dance-theatre, then it’s even more impossible to say anything from the video-dvd than usually.

Tessa:
Yeah… I’m really curious what you will say about the performance tomorrow. Whether you will find some approach…

###########

So that was that.
Now, you can see we prepared really well.
I was thinking hard how to connect that to some kind of report afterwards. But I think it’s more interesting that way.

If you want to know what kind of trigger we found, ask us personally.
Tessa, you’ll get a mail, once this whole madness is over!

This entry was posted in Texts and tagged , , , , , , . Bookmark the permalink.

Leave a Reply