Switch that Co-Production!

Was ist überhaupt eine Koproduktion?

Die Situation in diesem Jahr ist eine sehr besondere, und meine Perspektive eindeutig speziell. Ich habe im vergangenen Arena-Jahr 2010 die Koproduktion mit der israelischen Gruppe Tadam Company geleitet. Wir sind durch viele Höhen und Tiefen gegangen, aber am Ende kam eine Produktion heraus, die künstlerisch anspruchsvoll war und den Jury-Preis nur knapp verpasst hat. Auf der anderen Seite war „Abissalle Glick“ eindeutig das Projekt von Noa Zamir, unerer israelischen Regisseurin. Das war von Anfang an klar, das war das Konzept, und es war eine ergebnisorientierte Entscheidung: Wir wollten dieses Stück, wir wollten magische Momente, wir wollten sie Noa auf die Bühne bringen lassen. Dennoch gab es Momente, in denen sich unsere Erlanger Performer mehr Koproduktion in der Koproduktion gewünscht hätten. Es ist wohl immer nur eines von Beidem moeglich: Eine Stück zu entwickeln, dass didaktische Ansprüche erfuellt und für alle Beteiligten ein vollkommen gemeinsames Entstehen darstellt. Oder fast den Jury-Preis abzuräumen und ein Highlight des Festivals zu stemmen. Jede Kopro, an die ich mich erinnern kann, schlägt klar in eine dieser Richtungen aus. Nachdem die Rolle der Erlanger Studenten 2009 in God’s Entertainments Pool-Party auch eher ‚zuarbeitend‘ war, hielt ich den Gedanken vor einem Jahr recht interessant, mit Anna Mendelssohn wieder einmal ein Stück zu finden, dass auf Augenhöhe mit den hiesigen Beteiligten entsteht, bei dem alle gemeinsam auf einer Stufe stehen und irgendetwas zusammen hinbekommen.

Nun war das Jahr fuer die diesjährige Kopro durchaus turbulent. Anna Mendelssohn hat keine Zeit gefunden, etwas ganz Neues für Erlangen zu entwickeln, Probenphasen im Ausland fielen ganz weg. Dafür bekommt Arena am Sonntag ein Stück, das auf den Wiener Festwochen vorne dabei ist, was ein definitives Highlight des Festivals werden dürfte. Ich war von Anna im vergangenen Jahr derart begeistert, dass mich der Kopro-Award unheimlich gefreut hatte. Art for a lonely Heart wird ein Feuerwerk. Aber nach allen bisherigen Maßstaeben keine Koproduktion. Ich schaue mir Martins Doku über unsere Israel-Zeit an, sehe uns am Strand von Tel Aviv, und muss kurz ein schlechtes Gewissen unterdrücken, als danach mit „Kopro“ wieder Anna Mendelssohn gemeint ist. Andererseits steht nigendwo in Stein gemeisselt wer eigentlich mit wem koproduziert. Man deutete das Konzept etwas um, statt Erlanger Studenten und internationalen Performern haben wir nun eine Koproduktion von Arena mit den Wiener Festtagen, und wo steht, dass das nicht geht? Um dennoch ein wenig an frühere Formen anzuknüpfen hat Anna zusammen mit Arena ein Spin-Off poduziert, eben unsere Sound-Installation „me, debating myself“. Thematisch hängt diese mit Art for a lonely Heart zusammen, angeblich, umkreist sie wie einen Satelliten.

All das klingt nach einem gewaltigen Kompromiss. Niemand haette das Konzept je so geplant. Nach allen Überlegungen und schlauen Theorien meinerseits hätte ich vor einem Jahr eher dazu geraten, das Konzept ganz zu ändern, wenn eine Kopodukion offensichtlich so nicht zustande kommen kann. Gleichzeitig habe ich natürlich mitbekommen, wie Vera und Steffi hier durch Blut und Glut geschritten sind um all das zu verwirklichen, um Art for a lonely Heart gegen alle terminlichen und logistischen Widerstaende hierher zu bringen, um diese Installation zu verwirklichen. Sympathien vorhanden. Aber genügt das? Irgendjemand im Team meinte mal auf dem Klausurwochenende, das wird bestimmt total super. Aber man solle es halt nicht Kopro nennen.

Ich weiss nicht, wie viel oder wenig „Me, debating myself“ mit Anna Mendelssohn zu tun hat. Das ist mir auch relativ egal. Die ganzen Etiketten-, Namens- und Label-Probleme sind eigentlich ziemlich pubertär. Ich kann nur feststellen, dass die Sound-Installation einen ziemlich verschluckt, im ganz und gar guten Sinne. Klar funktionieren die Texte sehr verschieden für mich, manche mochte ich deutlich lieber als andere, und an einer Stelle war ich verdammt dankbar für ein wenig Humor, wenigstens in Leas Text. Aber die Installation besteht eben aus so viel mehr als aus nur Text.

Eine Sound-Installation ist etwas, das eigentlich konzeptuell relativ klar funktioniert. Eigentlich ist das so, aber dann fängt das Switchen an.

Ich höre dem ersten Hörspiel zu. Dicker Soundtrack, Switch. Wie würde dieses Stück auf mich wirken, wenn ich es als letztes gehört hätte? Switch. Was, wenn ich nicht auf den Playern von Vorne begonnen, sondern auf den Außenboxen mittendrin hinein geloopt hätte? Switch. Warum sitzt Doro auf dem Boden, sieht sie nicht den Stuhl, hat sie das Prinzip nicht verstanden? Switch. Ich mag dem Text nicht mehr folgen, ich verwende ihn als Hintergrundgeräusch, um den Anderen im Raum zuzusehen. Switch. Wieviel von dem, was ich hier zu hören glaube, liegt an dem Raum, dieser speziellen Stelle im Zimmer? Wäre der Text nicht völlig anders auf dem Bett dort drüben? Switch.

Jeder hat sein Leitmotiv des Festivals. Während es für Stefan dieser letzte Moment wurde, komme ich immer wieder zum Switchen und Triggern zurück. Momente, die alles in einen neuen Zusammenhang rücken.

Switchen ist gut. Switchen sollte man vor Allem seine begrifflichen Vorgaben. Es kommt mir nun sehr fragwürdig vor, so viele Gedanken darauf zu verwenden. Es mag sein, dass man eine Sound-Installation nie geplant hätte, als Arena-Kopro, wenn man die Wahl hätte. Und genau das ist doch merkwürdig: Dass Schwierigkeiten auftreten muessen, damit wir diesen tollen Raum in der Bayreuther Straße bekommen können. Dass er uns um ein Haar entgangen wäre. Dass wir ihn beinnahe verpasst hätten.

Da stimmt doch etwas nicht.

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